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TULPENKRISE

I - Ein aufstrebendes Begehren 

 

 

Sven Sauers Kunstwerke blicken von weit oben auf die Welt herunter. Die Gewählte 3/4 Perspektive erschafft eine seltsame Wirkung: Unverzerrt und unemotional, einen Überblick verschaffend.

Dabei ist man sich beim Betrachten nie ganz sicher, was nun eigentlich überwiegt: Die Kritik an der Finanzwirtschaft oder eine schiere Bewunderung ihrer Schönheit. 

 

Die Installation "Tulipmania" von Sven Sauer basiert auf der ersten dokumentierten Spekulationsblase der Menschheit. Wie kam es dazu, dass die Tulpenkrise gerade im aufgeklärten Holland beängstigende Ausmaße annahm?

 

Die Niederlande steht zu Beginn des 17. Jahrhunderts an der Schwelle eines goldenen Zeitalters. Kaufleute aus Amsterdam beherrschen den hochlukrativen Ostindienhandel.

1602 wird die erste moderne Aktiengesellschaft gegründet - Die Ostindien Kompanie.

In dieser Periode steigt Holland zur wichtigsten Wirtschaftsmacht der Welt auf.

Die Geldmenge in der Bevölkerung wächst. Es entsteht eine Schicht wohlhabender Holländer, die vermehrt Prestigekonsumgüter nachfragt.

 

In dieser Zeit taucht ein exotisches Gewächs aus Zentralasien auf, dass sich schnell zu einem Statusobjekt in reichen Häusern entwickelt: Der Name stammt aus dem Persischen und bedeutet Turban: Die Tulpe.

Tulpen werden zum Liebhaberobjekt. 

 

Die Anfälligkeit der Tulpen für Krankheiten macht sie zu einer aussergewöhnlichen Rarität und so wächst die Nachfrage schneller als das Angebot. 

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Links: Tafel 10 aus dem Florilegium des Blumenhändlers und -züchters Emanuel Sweerts. Das 1612 herausgegebene Tulpenbuch beruhte auf seinem Verkaufs- bzw. Versandkatalog für Zwiebelpflanzen. (Bild: Wikimedia, public domain) Rechts: Broschüre von der Tulpenmanie in den Niederlanden, gedruckt 1637 (Bild: Wikimedia, public domain)

II - Die Verlockung 

 

Der Handel beginnt. Sind es anfänglich wohlhabende Kaufleute, die mit Tulpen handeln, so tauchen die Tulpenzwiebeln schon nach kurzer Zeit in Wirtshäusern auf und werden gegen Weizen, Ochsen und Käse eingetauscht. Aufgrund der Aussichten auf schnellen Reichtum, steigen bald auch Bauern, Fischer und Seeleute in das Geschäft mit ein und belasten ihre Häuser, Werkstätten, den Hof. Dadurch steigen die Preise für die Zwiebeln weiter. 

Komplexe Tabellen entstehen, auf denen die einzelnen Sorten nach ihrem wechselndem Marktpreis verzeichnet werden, ähnlich Wertpapieren und Wechselkursen.

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1634 findet eine Veränderung im Handel statt, der die anschließende Krise ins Rollen bringen soll: Da Floristen mit dem mühsamen Nachzüchten nicht nachkommen, geben Händler die bloße Aussicht bekannt, eine Zwiebel zu verkaufen. 

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Flugblatt der Preisliste der 99 bei der Weeskamer-Versteigerung 1637 in Alkmaar versteigerten Posten Tulpenzwiebeln.

Die Tulpenzwiebeln bleiben in der Erde, die Rechte an ihren Abkömmlingen werden jedoch verkauft. 

 

Optionsscheine auf Tulpenzwiebeln werden an einem Tag bis zu zehn Mal weiterverkauft! 

Dieser Handel wird selbst dann möglich, wenn die Käufer:innen gar kein Geld besitzen und alles auf den Weiterverkauf setzen. Das "Spekulieren auf Kredit" kommt im Tulpenmarkt an. Geld beginnt zu fließen, die Preise steigen, was dem Geschäft zusätzliche Glaubwürdigkeit verleiht. Ein positiver Rückkopplungseffekt entsteht. 1636 explodieren die Preise um den Faktor zehn. Geld scheint gratis zu sein. Auf diesem Höhepunkt des Spekulationsfiebers wird eine seltene Tulpenzwiebel wie die Semper Augustus zum Preis eines großzügigen Hauses mitten in Amsterdam gehandelt.

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© Norton Simon Art Foundation 

III - Das Verderben 

 

Oftmals ist es ein unscheinbares Ereignis, das die Blase zum Platzen bringt: Eine Auktion am 3. Februar 1637 in Haarlem markiert die Wende: Ein Pfund Tulpenzwiebeln der Sorte  „Weisse Krone“ wird zu 1250 Gulden angeboten. Üblicherweise hätten sich mehrere Interessenten gemeldet, aber auch nach Preisreduktionen bleiben die Gebote aus. Die Nachricht des geplatzten Deals verbreitete sich schnell.  Notverkäufe beginnen. Auktionen werden abgesagt. Dann ist die Lawine nicht mehr aufzuhalten. In nur wenigen Tagen bricht der Markt komplett zusammen. Kein Händler  will kaufen, aber alle verkaufen. Optionen werden wertlos, Käufer können ihre Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen. Die ersten Kredite werden fällig, die Preise stürzten ins Bodenlose.  Zwiebeln, die vor Kurzem noch für Tausende von Gulden die Hand wechselten, werden nur noch für 1 % gehandelt. 

Wenige Tage später wurde der Tulpenhandel in den Niederlanden vom König verboten.

Das dramatische an dieser Situation war, dass das normale Volk in die Spekulationsblase hineingezogen wurde und diese entstehen ließen.

 

Die Tulpen verschwinden völlig von der Bildfläche Hollands. Jahrzehnte lang gelten selbst Abbildungen in Familienwappen als unheilvoll.

 

Heute kommen 80% aller Tulpen weltweit wieder aus Holland. Das Land ist der Hauptumschlagplatz für diese Blume, die mittlerweile auch wieder an einer Börse gehandelt wird. 

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